Galerie Kunstmangel

Lyrik

Aschesegen

Im hohen Norden des Planeten
ein Gletscher spuckt mit Eisraketen.
Vulkanisch gibt er glühend heiß
sein Innerstes nach außen preis.

Mit Aschewolken er nicht geizt -
was Mensch und Tier unsäglich reizt -
in Augen, Ohren, Herz und Magen
Fern-Flug gestrichen - schon seit Tagen.

Im Cockpit wird gestresst parliert
Fluglotsen schweigen irritiert.
Cholerisch schwillt beim Asche-Falle
so manchem Passagier die Galle.

Man sucht nach unbekannten Flügen
nach Bundesbahn mit Sonderzügen.
Entgangener Geschäftsabschluss
beschert Topmanagern Verdruss.

Island verdunkelt - aschetrübe
erträgt gelassen Jokulls Hiebe.
Ganz isoliert an Vulkans Seiten
erlernt man Lebenskunst beizeiten.

Froschkönig

Im Wasserbad ein Froschprinz hockt
Prinzess'chen heute leider bockt.
Den Ball verlor sie an den Prinzen
beim Ratespiel in Pfefferminzen.

So hockt der Frosch nun ganz alleine
gekrümmt sind seine Schenkelbeine -
beklagt und quakt laut seinen Kummer
in der bekannten Frosch-Song-Nummer.

Den typischen quakenden Gesang
mit intoniertem Leidensklang
hört nebenteichs die Jungfroschmaid
ihr Herz erschüttert Nachbars Leid.

Sie hüpft hinüber zu dem Frosche.
Beschenkt mit Gold und Silber- Brosche
mit Edelsteinen und Geschmeide
erhört das Froschweib Liebeseide.

Es gibt Froschhochzeit auf die Schnelle
wird Königspaar bei Tageshelle.
Gequakt wird nächtlich zum Erbarmen
beim Liebesspiel mit Froschalarmen.

Im Mondschein produziert man Laich
im sommerlichen Lotosteich.
Der Nachwuchs wächst - nichts kann ihn stoppen
Frosch-Königsglück ist nicht zu toppen.

Ob ewig hält der Frösche Glück
nach Prinzenfrosch's Paradestück?
Mit Gold und Geschmeide verführt man nur
arglose Närrinnen zum Eheschwur.


Großvater

August 1948

Dresden, Holzhofgasse, 16.00 Uhr. Die Mutter holt ihre Tochter vom Kindergarten ab. Es war ein Sommertag, warm und sonnig. Hand in Hand geht man Richtung Forststraße, nach Hause.

" Opa ist heute aus dem Lager in Mühlberg entlassen worden, endlich nach drei Jahren" hatte die Mutter gesagt. " Du darfst gleich zu ihm, aber gib ihm nur einen Kuss auf die Wange, nicht auf den Mund. Versprochen?"

Das Kind nickt und überlegt. Hatte ich Mutti richtig verstanden? Warum darf ich Opa nicht auf den Mund küssen?

Erwachsene sind manchmal wirklich ein Rätsel. Einmal darf man auf den Mund küssen, ein anderes Mal nicht.

Daheim angekommen, wurden die beiden von der Großmutter mit knappen Worten begrüßt.

"Opa liegt im Gästezimmer, er fühlt sich schwach und möchte ein bisschen schlafen" rief sie aus der Küche. "Morgen kommt er ins Krankenhaus. Er wird an der Lunge operiert ...

Und bleibt nicht so lange bei ihm!"

Ungeduldig wartet das Kind auf die Mutter vor dem Krankenzimmer. Endlich kommt sie, öffnet vorsichtig die Tür. Schweigend betreten Beide den Raum und beobachten den Kranken.

Mit geschlossenen Augen liegt er auf dem Sofa. Sonnenstrahlen fallen auf sein Gesicht. Auf der Wolldecke das Schattenmuster der Gardine, verzerrte Blätter und Blumen.

Minuten vergehen. Beklemmende Stille. Kein Atmen ist zu hören. Schweigen vertreibt die Zeit, nichts bewegt sich.

"Kommt nur näher, ich möchte euch in meine Arme nehmen" sagte irgendwann eine leise Stimme. "Ich weiß, dass ihr bei mir seid."

"Guten Tag Opi!" Das Kind stürmt auf ihn zu und küsst ihn auf die Wange. Es spürt ein raues, kaltes Gesicht, sieht dünne Hände und Arme. Opas große Augen machen ihm sogar Angst.

Ganz verändert sieht Opa aus, denkt das Kind, anders als auf dem Foto im Wohnzimmer.

Dort steht er lachend im Garten neben der Oma.

"Wie groß du geworden bist und in einem Jahr kommst du nun schon in die Schule", hört das Kind noch.

Allein mit seinen Gedanken steht das Mädchen da, unsicher schaut es hinauf zur Mutter. Ein beruhigender Blick kommt zurück.

Ganz unerwartet nimmt der Großvater den Kopf des Kindes in die Hände, betrachtet seine Enkelin sekundenlang.

Er streichelt ihr zärtlich über die Wange. "Gott schütze dich, mein Kind" sagt er lächelnd". Tränen stehen in seinen Augen.

Wieder schaut das Kind zur Mutter. Auch sie hat Tränen in den Augen.

Warum weinen beide, grübelt das Mädchen. Sind sie traurig?

"Alles wird anders, wenn Opa wieder bei uns ist" hatte Mutti gesagt. "Du wirst viel Spaß mit ihm haben".

An manche Worte erinnert sich das Kind ganz genau.

"Sobald Opa gesund ist, holt er dich vom Kindergarten ab.

Dann tobt ihr zwei im Garten. Bei schlechtem Wetter dürft ihr sogar im Wohnzimmer "Mensch ärgere dich nicht" spielen. Nie mehr nur zu Weihnachten.

Im Herbst lasst ihr an der Elbe Drachen steigen.

Und im Winter geht ihr rodeln, oben am Waldschlösschen-Hang."

Still träumt das Kind vor sich hin. Was die Mutter mit dem Großvater bespricht, hört es nicht mehr.

"Das Abendbrot ist fertig, kommt bitte". Großmutters Stimme war laut und deutlich zu hören. Ein Tonfall, fast wie ein Befehl.

Mutter und Kind verabschieden sich schnell.

"Bis morgen dann, schlaf' gut und träum' was Schönes".

Von Beiden noch ein Kuss auf Opas Wange.

Worte waren zu Flüchtlingen geworden.

Das Mädchen sollte seinen Großvater nie wieder sehen.



Haiku

Planet trifft Planet
irgendwann im irgendwo
glücklicher Zufall

Lehrstelle Leben
Ebbe und Fluten des Glücks
sein Meister bist du

Einen Sommer lang
Seerosen blühen im Teich
Nebel tränkt den Herbst

Im Banne der Nacht
enthüllen sich Gestirne
sanft lächelt der Mond

Gewitterwolken
Regenbogen weinen nicht
Die Sonne bricht durch

Einsamkeit macht stark
Tränen sprengen Ketten
vertraue auf dich


Tragödien

Frankie goes to Hollywood
Günter Grass erzählt vom Butt
und Homer liebt iliassisch -
schrieb in Epen heldenklassisch

von Kassandra und Odysseus
artverwandt mit Vater Zeus -
von Laokoon - einem Seher
und Achill - dem Fersendreher.

Hector - Paris - Helena
Hollywood bringt filmisch nah
aller Welt die Tragödie:
Troja's Ende durch ein Vieh.

Riesenross aus Edelholz
der Altgötter ganzer Stolz
wurde leider schon vernichtet
wie geschichtlich ist berichtet.

Seelenhaftungsgleich verbunden
dreht Kassandra's Geist noch Runden
neuerdings in Lebewesen -
deren Körper auserlesen.

Diese Lebendkreaturen
suchen nach Kassandra's Spuren
weit entfernt vom Heimatorte
an der Türken -Troja - Pforte.

Götter, Helden, Priesterlehren
weltweit Menschen hoch verehren.
Sie wandern mit viel Lustgewinn
zu Weltkulturgeerbtem hin.

Nicht nur per Schiff - schneller mit Flieger
düst Mensch ins Altertum hinüber.
Bestaunt dort jede Heldengruft
sehr ehrfurchtsvoll - selbst wenn es mufft.

Gern huldigt er den Götterhelden -
im Todesstaub der Mauerwelten.
Fragt sich als menschliches Genie:
Wo blieb des Himmels Harmonie?

Dummheit, Stolz und Eitelkeit
machten sich im Himmel breit.
Symbolisch steht der Götterruhm
für alles, was auch Menschen tun.

Lust und Leid bedient die Zeiten
Götterspiel war Zeitvertreiben
für Dichterfürsten und Poeten
von Homer bis hin zu Goethen.

Dem Verfasser dieser Zeilen
wird gemailt - er soll sich eilen.
Kassandra's Geist hat reklamiert
den Dichter zum Olymp entführt.